Der Himmel ist wolkenverhangen, als Sänger Yodelice, eigentlich Maxime Nouchy, mit seiner dreiköpfigen Band die Bühne im Innenhof der Mainzer Zitadelle betritt. Es sieht verdächtig nach Regen aus. Mit gemischten Gefühlen lauschen die Konzertbesucher deshalb den ersten Takten, doch dann wird klar: Die Jungs können richtig was! Und zwar nicht zu knapp: Emotional, melancholisch, gleichzeitig aber auch rockig und sehr kraftvoll gehen die Franzosen zu Werk.
Kein Bass, dafür ein Cello, die Bassdrum spielt der Frontmann meist selbst und die Kostüme plus Make-up scheinen direkt aus der Garderobe von Tim Burtons „Alice im Wunderland“ zu stammen. Die Musik ist definitiv etwas Besonderes, sie reißt mit, begeistert – vor allem, weil niemand mit einem solchen Konzert gerechnet hat. Das Publikum feiert die Musiker frenetisch, die 45 Minuten gehen viel zu schnell vorbei.
Zur Pause kommt der Regen. Erst in ein paar Tropfen, dann stärker, schließlich gießt es wie aus Eimern. Um kurz nach 20 Uhr betritt die Band die Bühne. Milow selbst ist noch nicht zu sehen, aber zu hören. Unter tosendem Applaus kommt der 28-jährige Belgier nach vorne, bedankt sich bei seinen Fans und verspricht, so lange zu spielen, bis das der Regen aufhört. Ob er das halten kann? Abwarten. Denn erstmal gibt Milow, mit bürgerlichem Namen Jonathan Vandenbroeck, seine Songs zum Besten, spielt in seinem unverwechselbar perkussiven Stil die Gitarre und singt dazu mal laut und ausdrucksstark, mal leise und hochemotional.
Das Programm präsentiert sich als gut ausgewählter Mix aus Songs seiner Alben „Milow“ und „The Bigger Picture“, darunter „Canada“, „Until The Morning Comes“ oder „One Of It“, sein erster großer Hit. Und auch wenn sich die meisten am Regenschirm festhalten oder die nassen Haare aus der Stirn wischen: Plötzlich sind alle Hände oben und die Ersten singen mit. Milow lacht, freut sich und spricht seinen vom Regen gepeinigten Zuhörern Mut zu. Unterstützt wird er von seiner fünfköpfigen Band, die zwar gut gefällt, aber sicherlich ein paar Soli mehr hätte bringen können. Schön: Immer wieder kommen Zitate von Songs wie Van Morrissons „Brown Eyed Girl“ oder „Knockin’ On Heavens Door“ zum Vorschein, selbst der Deep Purple-Klassiker „Smoke On The Water“ wird gekonnt eingebaut.
Nach ein paar Songs bekommt die Band eine kurze Auszeit: Nur noch Milow, seine Gitarre und Background-Sängerin Nina Babet sind auf der Bühne. Begeisterung bricht los, als er die ersten Töne seiner Ballade „Out Of My Hands“ anstimmt, der erst kürzlich als Duett zusammen mit Marit Larsen veröffentlicht wurde. Und dann passiert etwas Magisches: Für einen Augenblick ist es mucksmäuschenstill – nur das Prasseln des Regens ist zu hören, dazu die warme Stimme von Milow und ein ausklingender Gitarrenakkord. Als der Belgier zum Refrain ansetzt, singt die ganze Menge mit: „Out of my reach, out of my hands… I didn’t understand…“ – Gänsehaut-Feeling pur! Keine Minute später sind die ersten Wunderkerzen angezündet, ein herrliches Gefühl macht sich trotz – oder gerade wegen – des immer stärker werdenden Regens bemerkbar.
Es folgen die beiden großen Hits, zuerst „You Don’t Know“, dann das R&B-Cover „Ayo Technology“. Letzterer in einer zehnminütigen Version, für die sich der Künstler sogar selbst in den Regen begibt und zusammen mit seinen Fans vor der Bühne feiert. Fast 90 Minuten spielt Milow das reguläre Programm. Dann folgen die Zugaben. Wo andere nach drei lieblosen Minuten das Handtuch werfen, drehen der Mann an der Gitarre und seine Band noch mal so richtig auf: Auf „In My Pocket“ folgt die emotionale Ballade „Launching Ships“, Zugabe Nummer drei ist „Building Bridges“. Die ersten wollen schon hochzufrieden den Heimweg antreten, da wird klar: Eine(r) geht noch!
Nach vier Zugaben und fast 110 Minuten Spielzeit gehen die Lichter dann definitiv aus, der Regen indes macht weiter. Sein Versprechen hat der sympathische Belgier also nicht halten können. Böse wird ihm trotzdem keiner sein – so viel steht mal fest.