Meine erste „Begegnung“ mit Ludovico Einaudi war nicht unbedingt von großer Musikalität oder hohen Emotionen geprägt. Vielmehr schallte er mir von den Deckenlautsprechern der CD-Abteilung eines Elektronik-Marktes entgegen und schien dabei in einem Meer von Stimmengewirr, Telefonklingeln und den Schreien Minderjähriger beim Konsolenspielen unterzugehen. Am Abend des 29. März ist aber all der Lärm und all der hektische Alltag ausgeblendet – Entschleunigung ist angesagt. Und obwohl sich weit über 1.000 Menschen in der Alten Oper eingefunden haben, erinnert die Szenerie eher einen Ozean der Stille. Keine Telefone, keine eingehenden E-Mails, keine nervigen Handyfilmer oder Kompaktkamera-Blitzer. Nur Ruhe. Und Klavier. Ludovico Einaudi trägt einen dunklen Anzug, ist ganz alleine auf der großen Bühne, sitzt vorgebeugt am Flügel, wiegt sich im Takt. Note um Note wirft er die Töne wie Kieselsteine in das stille Wasser, lässt sie wirken, ihre Kreise ziehen. Das Publikum lauscht andächtig.
Und während der Mann am Klavier seine reduzierten, streckenweise minimalistischen Kompositionen aneinander reiht, fängt das Kopfkino an. Denn auf der Bühne passiert nicht viel. Manch einer verfolgt das Konzert sogar mit geschlossenen Augen. Die Gedanken schweifen. Ludovico Einaudi liefert den perfekten Soundtrack dafür, das große Haus der Alten Oper die perfekte Kulisse. Freilich: Die Musik und ihre Akkordfolgen sind nicht überkomplex oder fordern den Zuhörern höchste Konzentration ab, selten scheinen die Arrangements sogar an der Grenze zum Seichten. Aber genau das macht den Reiz aus, denn irgendwie schafft es der Künstler, das Publikum mit seinem Mix aus klassischen Melodien, Filmmusik und subtilen Pop-Anleihen zu fesseln.
Nur zweimal unterbricht Ludovico Einaudi sein Spiel und erzählt, dass ihm ein Traum die Inspiration für die Musik seines jüngsten Projektes „Nightbook“ gab. Ein Traum, der ihn in eine dunkle Nacht früher Kindheitstage zurückreisen ließ. Dass die Songs alle ein wenig an Dämmerung, sternenklaren Himmel oder in sanftes Mondlicht getränkte Landschaften erinnern, ist nicht zu leugnen. Und auch das passt wieder zur Stille im Konzertsaal, auch das gibt neuen Stoff für den imaginären Film im Kopf. Einaudi schließt den Kreis.
Nach 80 Minuten lässt sich der Pianist vom begeisterten Publikum erneut auf die Bühne bitten. Unter den Zugaben ist auch das bekannte „I Giorni“, Titelsong des gleichnamigen und jüngst erschienenen Albums. Was bleibt, ist die Erinnerung an einen gelungenen Abend – und die Erfahrung, dass man auch im Elektronik-Fachhandel auf die ein oder andere musikalische Perle stoßen kann.