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Vorstellungskraft: Herbie Hancock Group mit „The Imagine Project“ im Mainzer Volkspark

Wenn sich Herbie Hancock für ein Konzert anmeldet, werden gerne die Superlative bemüht – in den meisten Fällen zurecht. Doch diesmal war der experimentier-freudige Musiker mit seinem jüngst erschienen Album „The Imagine Project“ unterwegs, das von einigen Kritikern als „zu poppig“ bewertet wurde. Die Besonderheit: Auf dem Longplayer sind Musiker aus aller Welt vereint, ob aus Afrika, Asien, Lateinamerika oder Europa. Fast alle Kontinente und Stilrichtungen sind vertreten, von Pink, über John Legend, von Seal über die afrikanische Band Konono No 1 bis hin zu India.Arie oder Multiinstrumentalist Marcus Miller. Sogar Los Lobos und die irischen Urgesteine der Chieftains waren mit an Bord. Die Erwartungshaltung war entsprechend groß, ob es denn gelingen würde, diese musikalische Vielfalt in den Mainzer Volkspark zu transferieren.

Um es gleich vorweg zu nehmen – nicht ganz. Auch wenn die Band am Abend des 15. Juli 2010 ihr Bestes gab. Auch wenn die Einspieler anderer Sängerinnen und Sänger vom Rechner problemlos klappte. Und auch, wenn die musikalische Darbietung auf einem absolut bemerkenswerten Niveau stattfand. Denn eine solche Bandbreite an Klangeindrücken funktioniert auf einer Bühne mit sechs Musikern immer nur bedingt.

Trotzdem: Ein tolles Konzert! Alleine schon die John Lennon Nummer „Imagine“, die als hymnische Ballade beginnt und plötzlich richtig fetzig wird, überzeugt schon nach den ersten Takten. Und auch Peter Gabriels „Don’t Give Up“, gekrönt von der kristallklaren Stimme Kristina Trains, die verdächtig (gut) nach Jonatha Brooke klingt macht Lust auf mehr. Kein Song endet, wie er begonnen hat, die Einflüsse reichen von Fusion über Pop bis hin zu Bossa Nova. Immer wieder gibt es neue Einspieler. Viel abwechslungsreicher kann man ein Konzert nicht gestalten, so viel steht fest.

Und während die Sonne den Mainzer Volkspark in glänzendes, rot-oranges Licht taucht, lässt der Meister auf der Bühne eine grandiose Version seines Hits „Cantaloupe Island“ auf das begeisterte Publikum los. Natürlich mit den typischen Improvisationen und der absolut funkigen Spielweise, die ihn so berühmt gemacht hat. Kurz vor Schluss steht ein Medley der Songs „The Times, They Are A Changin'“ und „A Change Is Gonna Come“ auf dem Programm. Während der erste der beiden von der virtuosen Bassistin Tal Wilkenfeld gesungen wird, darf Keyboarder Greg Phillinganes bei Titel Nummer zwei ans Mikrofon. Und beide machen ihre Sache richtig, richtig gut.

Nach 90 Minuten ist Schluss, für zwei Zugaben kommt ein spürbar gut gelaunter Herbie Hancock zurück auf die Bühne. Schön, dass diesmal auch das Wetter mitgespielt hat. Und sogar die Mainzer Vögel hatten ganz offensichtlich ihre helle Freude am Auftritt: In einigen stillen Passagen machten sie das Piano-Solo mit ihrem Gezwitscher zu einem echten Frage- und Antwortspiel…

Großartige Musik und ein Unwetter zur Pause – David Sanborn und Tower Of Power in Mainz

Die Stimmung ist gut, die Sonne knallt vom Himmel – fehlen eigentlich nur noch die passende Musik und ein kühles Bier. Genauso sollte ein Open Air Konzert beginnen! Kaum ausgesprochen, geht es auch schon los, als Saxophonist David Sanborn, Drummer-Legende Steve Gadd und Organist Joey DeFrancesco am Mittwoch, den 14. Juli um kurz nach sieben die Bühne im Mainzer Volkspark betreten. Bluesig und soulig startet der Abend, die drei Spitzenmusiker sind gut gelaunt und haben merklich Spaß daran, das zahlreich erschienene Publikum mit ihren Songs zu unterhalten. Die meisten stammen von Sanborns jüngstem Album „Only Everything“ und glänzen durch brilliante Arrangements und furiose Soli auf allen drei Instrumenten. Mit dabei sind aber auch Songs wie „Let The Good Times Roll“ oder dem Jazz-Standard „Basin Street Blues“. Der Mann an der Orgel singt hier und da mit weicher Stimme.

Fast scheint alles perfekt, aber dann wird schnell klar, was Sache ist. Innerhalb von Minuten verdunkelt sich der Himmel, Blitze zucken von allen Seiten. Und während die ersten Gäste schon die Flucht ergreifen, fliegen Bauzäune durch die Gegend, brechen meterlange Äste von den Bäumen und Sonnenschirme fliegen davon. Kurz, bevor die Welt ganz unterzugehen scheint, kämpft sich Ludwig Jantzer, Programmplaner des Frankfurter Hofs und verantwortlich für die „Summer in the City“-Konzerte, durch Regen und heftige Windböen nach vorne ans Mikrofon und verkündet, dass es nach dem Unwetter mit Tower Of Power weitergehen wird.

Rund eine halbe Stunde später hat sich der Sturzbach vom Himmel in ein paar harmlose Tröpfchen verwandelt, der Himmel ist heller, die Luft merklich abgekühlt. Es kann also weitergehen. Die Uhr zeigt Viertel von neun, als die Soul & Funk-Titanen aus Oakland, Kalifornien, die ersten Grooves auf das fast vollständig zurückgekehrte Publikum loslassen. Dass die Stühle nass sind, scheint kaum jemand zu interessieren, denn spätestens ab Lied Nummer 2, „Soul With A Capital S“ grooven und tanzen fast alle im Stehen. Bei „Only So Much Oil In The Ground“, mit Sicherheit ein kleiner Seitenhieb auf die andauernden Versuche, das Ölbohrloch im Golf von Mexiko zu schließen, steht der gesamte Volkspark. Es folgt der für „TOP“ so typische Mix aus souligen Balladen und teuflisch groovenden Uptempo-Stücken, alten Songs aus den 1970er und 1980er Jahren bis hin zum aktuellen Cover „Me And Mrs. Jones“, gekrönt durch die absolut beeindruckende Stimme von Larry Braggs, dem Mann am Mikrofon. Natürlich dürfen auch die obligatorischen Tracks wie „What Is Hip?“ oder „Diggin‘ On James Brown“ nicht fehlen. Letzteres ist eingebettet in das Medley „Star Time“, welches vom neuesten Album „Great American Soulbook“ stammt – und eine Verbeugung vor dem verstorbenen Meister des Rhythm & Blues höchstselbst ist. Erstmals mit der Band auf Deutschland-Tour ist Gitarrist Jerry Cortez. Und der Mann überzeugt auf Anhieb, spielt gleich mehrere brilliante Soli und weiß auch gestandene Tower Of Power Fans, die ja eher Verfechter des Blechbläser-lastigen Sounds sind, innerhalb von Sekunden mit seiner Spielfreude zu überzeugen.

Nach rund 85 Minuten ist Schluss, mit den beiden Zugaben „You’re Still A Young Man“ und dem Kracher „Souled Out“ entlassen die US-Amerikaner ihr hochzufriedenes Publikum in die mittlerweile laue Sommernacht. An ein Gewitter kann sich kaum noch jemand erinnern, höchstens ein kleines bißchen Wetterleuchten, denn zwei so grandiose Konzerte lassen alle anderen Eindrücke des Abends einfach verblassen, äh… abblitzen, pardon: im Regen stehen!