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Jazz oder nie – das 44. Montreux Jazz Festival startet Anfang Juli mit internationalem Star-Aufgebot

Sommer am Genfer See, das heißt für viele auch immer Sommer in Montreux – und damit ein Sommer ganz im Rhythmus der Musik des Jazz Festivals. Mitte der 1960er Jahre gestartet, hat Mastermind und Initiator Claude Nobs in den vergangenen Jahrzehnten eine echte Institution für Musikfans aus aller Welt geschaffen – und damit eine Art Markenzeichen für die Künstler von gestern, heute und morgen. Denn wer in Montreux aufgetreten darf, hat es irgendwie geschafft.

Bemerkenswert ist der mediterrane Flair der Stadt, die direkt am berühmten „Lac Léman“ in der südlichen Schweiz gelegen ist. Dies ist nicht nur den beiden Hauptlocations, der Miles Davis Hall im berühmten Casino und dem Auditorium Stravinski geschuldet, sondern auch an den zahlreichen kostenlosen Konzerten, Workshops und Wettbewerben, die als Rahmenprogramm stattfinden. Und spätestens, wenn einer der typischen Schaufelraddampfer mit Musikern an Bord von einer der Landungsbrücken ablegt und mit groovender Musik in den Sonnenuntergang fährt, ist auch dem Letzten klar, dass das Jazz Festival in Montreux immer etwas ganz Besonderes ist.

Und auch das Musikprogramm ist in diesem Jahr wieder eine Liste des Who-is-Who der internationalen Musikszene. Los geht es offiziell am 02. Juli, wobei bereits am Abend zuvor ein „Pre-Festival-Concert“ stattfindet. Phil Collins, der vermutlich die kürzeste Anfahrt zum Konzert haben dürfte, wohnt er doch selbst am Genfer See, eröffnet den Konzertreigen mit einem Abend ganz im Zeichen der der Motown Musik aus den 1960er Jahren.

Zu den Highlights des 44. Montreux Jazz Festivals zählen Konzerte der Altrocker von Roxy Musik mit Frontmann Bryan Ferry, der französischen Elektropop-Ikonen AIR, Norah Jones, der Trip-Hopper von Massive Attack, Mark Knopfler, Simply Red und den Hip-Hop Legenden von De La Soul. Auch Katie Melua, deren neues Album „The House“ kürzlich erschienen ist, sowie die Schweizer Musikerin Sophie Hunger oder Blueslegende Buddy Guy sind mit von der Partie. Zwar wurde die musikalische Bandbreite des Festivals im Laufe der Jahre behutsam erweitert, der Jazz ist aber noch immer tonangebend.

Und auch 2010 sind wieder echte Leckerbissen im Programm zu finden. So zum Beispiel das grandiose Keith Jarett Trio mit Gary Peacock und Jack DeJohnette, Jazzpianistin Diana Krall, die sich einen Abend mit ihrem Mann Elvis Costello teilt, Brad Mehldau, Chick Corea oder Herbie Hancock. Ein besonderes Konzerterlebnis verspricht die „Singin‘ & Swingin‘-Night“ am 12. Juli, denn hier tritt die Big Band der Schweizer Armee unter der Leitung von Pepe Lienhard mit Gästen wie Joy Denalane, Klaus Doldinger, Max Herre und vielen mehr auf. Die zweite Hälfte des Abends gehört dann dem deutschen Meisters(w)inger Roger Cicero, der ebefalls mit (s)einer Big Band anreist. Am 9. Juli feiert das Festival die Musik Afrikas mit einer Hommage an Miriam Makeba. Angélique Kidjo zollt mit einigen der grössten afrikanischen Stars der „Mama Africa“ einen einmaligen Tribut. Youssou N’Dour rundet den Abend mit den Dakar-Kingston ab.

My House is my castle

Stellen wir uns doch mal ein Haus vor. Nein, nicht das mit dem Fuchs aus der Bausparwerbung. Einfach nur ein Haus. Vier Wände, ein Dach, Fenster und Türen. Von außen eher unscheinbar, doch einmal eingetreten, offenbart sich eine kleine Wunderwelt, in der hinter jeder Ecke eine Überraschung wartet. Mancher Raum ist klein und schummrig, mancher groß und hell erleuchtet. Auf prachtvolle Säle folgen enge, niedrige Flure, durch die man nur kriechen kann. Kurz: Ein mystisches Gebäude, das direkt aus irgendeinem Tim Burton-Film entsprungen sein könnte.

Aber was hat das nun mit dem neuen Album von Katie Melua zu tun? Die Analogie kommt nicht von ungefähr, heißt das neue Album der britischen Musikerin doch „The House“. Und die zwölf Songs präsentieren sich derart abwechslungsreich, dass es dem Zuhörer doch einiges abverlangt. An Kreativität, so scheint es, hat es Katie Melua und ihrem Produzenten William Orbit definitiv nicht gemangelt. Dabei ist „The House“ mehr als eine willkommene Abwechslung zu den vielen mainstreamigen und gleichförmigen Alben, die heute viel zu häufig die Charts bestimmen. Nicht zu vordergründig, aber auch nicht so, dass man erst mehrere Wochen braucht, um mit der Musik warm zu werden. Spätestens seit seiner Mitarbeit am Madonna-Album „Ray Of Light“ ist William Orbit auch Fans populärer Musik ein Begriff. Doch der Mann kann noch mehr. Legendär ist sein Remake von „Barbers Adagio For Strings“, ein echter Trance-Kracher des Ende der 1930er Jahre von William Barber komponierten klassischen Stücks. William Orbit, der auch schon für die Sugababes oder Melanie C hinter den Reglern saß, hat sich eigens für Katie Meluas Album „The House“ aus seinem wohlverdienten Ruhestand zurückgemeldet – und das ziemlich eindrucksvoll, denn im Vergleich mit den anderen drei Alben der 25-jährigen merkt man Orbits Handschrift sehr deutlich – in fast jedem Lied sind die Streicher omnipräsent, mal hektisch, mal gezupft, mal als warmer Teppich, mal ganz dezent im Hintergrund. Aber nie aufdringlich.

Dass das wunderbar zu Katie Meluas Stimme und ihrer Gitarre, der zweiten musikalischen Konstante auf „The House“, passt, wird spätestens bei Track Nr. 2 „The Flood“ klar. Zarte, fast schon zerbrechliche Strophen gepaart mit arabesken Elementen und einem monumentalen Refrain – das ist wirklich großes Kino für die Ohren! Doch es geht auch fetzig, was „Plague Of Love“, Lied Nr. 9 beweist. Paukenschläge, verzerrte Gitarrenriffs, gezupfte Geigen – der Song ist ein tolles Gesamtkunstwerk, das ich bedenkenlos als neuen James Bond-Titelsong empfehlen würde, kraftstrotzend aber absolut authentisch. Wer Katie Melua kennt, weiß, dass sie auch gerne mal leise Töne anschlägt – ein schönes Beispiel dafür ist „Red Balloons“. Der Song ist entstand in Zusammenarbeit mit Katies langjähriger Freundin Polly Scattergood und bietet eine wunderschönen Rahmen für Katie Meluas kristallklare Stimme.

Fazit: Bei „The House“ kommen sowohl eingefleischte Fans, als auch all diejenigen auf ihre Kosten, die bislang noch nicht so viel mit Katie Meluas Musik anfangen konnten. Absolut hörenswert!