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Have yourself a merry little Christmas

swinging-christmas-074982096Alle Jahre wieder kommen sie wieder – so sicher wie das Amen in der Kirche zur Christmette: Die Weihnachts-Alben. Mal billig, mal wirklich gut gemacht, mal in der dreisten Hoffnung, Last-Minute-Geschenkesucher würden in ihrer Not am Morgen des 24.12. die Ansprüche herunterschrauben, nur um überhaupt was unter den Baum stellen zu können…

Genug geschwafelt, hier kommt eine CD, die es wirklich wert ist gehört – und gekauft zu werden. Sie kommt vom britischen Pop-Urgestein Paul Carrack, der wieder einmal mit der Big Band des Südwestrundfunks kooperiert und eine wirklich solide CD mit Sage und Schreibe 16 (live!) aufgenommenen Songs fabriziert hat. Kennern wird längst aufgefallen sein, dass 2005 bereits ein Weihnachtsalbum in fast identischer Besetzung entstanden ist. Aber: Es sind kaum Redundanzen zu beklagen. Außer „Winter Wonderland“ ist kein Titel auf beiden Songs, wobei sich die Titel dennoch sehr unterscheiden.

„Swinging Christmas“ zeigt ganz klar, dass reichlich Potenzial für weitere, fruchtbare Zusammenarbeit der beiden musikalischen Institutionen vorhanden ist. Beweis gefällig? Einmal bitte Track mit der Nummer vier anspielen – „This Christmas“: Der Song spart nicht an einem groovigem Beat, fetten Bläserteppichen und herzhaften Soli. Und dazu: Die warme, weiche Stimme von Paul Carrack. Das knisternde Kaminfeuer und der hell erleuchtete Weihnachtsbaum sind zum Greifen nah.

Doch trotz „Jingle Bells“ und „Winter Wonderland“ kommen auch Weihnachtsmuffel bei „Swinging Christmas“ auf ihre Kosten. Wie wäre es beispielsweise mit einem schönen Bossa von Paul Carracks großen Hits „Over My Shoulder“ oder der Gänsehaut-Ballade „Living Years“? Oder aber einer fein arrangierten, klassischen Big Band Version von Van Morrisons „Moondance“? Alles da. Und doch passen alle Songs perfekt zum Weihnachtsabend.

Wer sich und seinen Liebsten also eine musikalische Freude unter den Baum legen will, der darf bei „Swinging Christmas“ gerne guten Gewissens zugreifen – und das auch schon im November.

Looking Back: Paul Carrack rockt den Frankfurter Hof

Nein. Beweisen muss der Mann wirklich niemandem mehr irgendwas. Dafür ist er schon zu lange im Musikgeschäft – und dafür hat er wirklich genügend Hits oder Gelegenheiten gehabt, auf sich und sein Talent aufmerksam zu machen. Paul Carrack geht aber trotzdem auf Tour. Und das ausgiebig, regelmäßig und mit viel Leidenschaft. Warum? Weil es ihm richtig viel Spaß bringt. Nicht mehr und nicht weniger. Und genau das merkt man auch.

Doch von Anfang an. Denn den Einstieg macht Lisbee Stainton. Junge 22 Jahre alt, steht sie ganz alleine mit ihrer Gitarre auf der Bühne. Das Mainzer Publikum weiß sie zu Beginn noch nicht so recht einzuordnen, doch das gibt sich schnell. Denn mit Lockenkopf, Charme und viel Talent führt die britische Singer-Songwriterin gekonnt durch die ersten vierzig Minuten des Abends und gewinnt die Sympathie der Zuhörerinnen und Zuhörer schon nach wenigen Augenblicken. Unaufgeregt, souverän, ja fast schon entspannt, überzeugt sie durch ihr sehr perkussives Gitarrenspiel, ohne dabei wie ein Abklatsch zu Milow oder dessen musikalischem Klon Mads Langer zu wirken. Die Songs stammen vom aktuellen Album „Girl On An Unmade Bed“.

Dann schlägt die Stunde der „Rocker“ – zumindest hört man sie schon laut neben der Bühne lärmen, noch bevor das Konzert richtig starten konnte. Und Paul Carrack gibt sich keine Blöße: Eben noch ein balladeverliebtes Album mit dem Royal Philharmonic Orchestra eingespielt, dann schnell ein paar Auftritte als Sänger zusammen mit der grandiosen SWR Big Band – und jetzt bringen er und seine vier „Jungs“ in Mainz als klassische Rock-Formation das Haus zum Kochen. Zugegeben – richtiger Hard-Rock klingt ein klein wenig anders, aber der gitarrenlastige Sound und die Arrangements weisen in eine eindeutige Richtung. Von Anfang an hat sich Paul Carrack selbst die E-Gitarre umgeschnallt, wechselt zwischendurch auf die akustische Version, weiter ans Keyboard und die Orgel – um schon beim nächsten Stück wieder die Saiten zu quälen. Die Augen fast immer fest zugekniffen, treibt er die Songs mit seiner markanten Stimme vorwärts. Kein Wunder, ist die Setliste mit 16 Songs plus Zugabe zum Bersten gefüllt. Und trotzdem ist er jederzeit Herr der Lage, zu keiner Zeit entsteht der Eindruck, dass sich irgendwer beeilen würde. Und das Publikum? Hängt an seinen Lippen. Fast alle Lieder sind bekannt, bei den großen Hits wie „Silent Running “, „Another Cup Of Coffee“ oder „How Long“ singt der ganze Saal.

Dass Paul Carrack es aber nicht nur mit dem Komponieren, Arrangieren und Singen richtig drauf hat, beweist er während der groovenden Nummer „Better Than Nothing“: Schlappe drei Soli haut der Brite hintereinander raus – auf drei verschiedenen Instrumenten versteht sich. Danach verlangsamt sich das Tempo der Songs wieder ein wenig, mit „The Living Years“ und „Love Will Keep Us Allive“ wird es schmusiger.

Am Ende – und darauf haben alle gewartet – gibt Paul Carrack mit „Looking Back (Over My Shoulder“ seinen wohl größten Hit zum Besten. Und das wird honoriert, denn das ganze Haus singt, klatscht und tanzt von der ersten bis zur letzten Reihe – besser könnte die Stimmung nicht sein – und besser könnte ein solches Konzert nicht enden. Noch auf dem Weg zum Parkhaus hört man die gepfiffene Melodie im unfreiwilligen Kanon – es scheint gefallen zu haben. Und mir auch.